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Am 18. März 2016 fand ein Interview der Oberhessischen Presse Marburg mit unserem Jugendfeuerwehrwart Jan-Lennart Büttner und der Wehrführung André Cappeller der Freiwilligen Feuerwehr Marburg-Cappel statt.
Das Thema des Interview war Doppelbelastung in der Feuerwehr.
Veröffentlicht in der Oberhessische Presse am 30. März 2016
Doppelbelastung fordert Wehren
2015 mehr als sieben Einsätze pro Tag im Landkreis
Marburg. Tagsüber gehen sie zur Arbeit, am Abend wird für den möglichen Einsatz trainiert und in der Nacht zum Zimmerbrand ausgerückt. Die Doppelbelastung von Arbeit und ehrenamtlichem Einsatz in der Feuerwehr verlangt von den Brandschützern einiges ab.
Im Landkreis mussten die Feuerwehren im vergangenen Jahr zu 2663 Einsätzen ausrücken, wie Kreisbrandinspektor Lars Schäfer mitteilt, das waren im Durchschnitt mehr als sieben pro Tag. André Cappeller, Carsten Jöstingmeier und Jan-Lennart Büttner von der Freiwilligen Feuerwehr aus Cappel schildern, was diese Doppelbelastung für sie im Alltag bedeutet. Die Ausbildung nach Feierabend, an Wochenenden oder auch wochenweise in der Landesfeuerwehrschule in Kassel kostet dabei die meiste Freizeit. Neben den Wehrleuten selbst sind auch ihre Familien von der eingeschränkten Freizeit und der Ungewissheit bei den Einsätzen betroffen. Und die dauern länger, als von außen sichtbar ist.
Tagsüber arbeiten und nachts löschen
Doppelbelastung kennzeichnet den Alltag vieler Feuerwehrleute und den ihrer Familien
Nachts, wenn alle schlafen, hofft auch Jan-Lennart Büttner, dass der Piepser ruhig bleibt. Der 22-Jährige ist als Feuerwehrmann nahezu immer in Bereitschaft. Cappel. Die Doppelbelastung, tagsüber zu arbeiten und nachts möglicherweise zu einem Brand ausrücken zu müssen, sei dauerhaft, erklärt Büttner. Dabei sind es weniger die nächtlichen Einsätze als vielmehr die Vorbereitungen, in einem solchen Ernstfall gut gerüstet zu sein und schnell und effektiv helfen zu können, die große Teile der Freizeit ausfüllen.
Wie die Lehrgänge in der Landesfeuerwehrschule in Kassel, die auch schon mal zwei Wochen dauern – kann man sich eine schönere Form der Freizeitgestaltung vorstellen? Natürlich, „aber man macht es trotzdem gerne“, stellt Cappels Wehrführer André Cappeller klar. Es sei eben eine bewusste Entscheidung und die Zeit, die man mit den Kameraden verbringe, werde ganz sicher nicht als verlorene Zeit empfunden. „Da sind auch schon Ehen entstanden“, bemerkt Cappeller und deutet damit an, dass sich die Mitglieder der Feuerwehr ein bisschen auch wie eine große Familie verstehen.
Wenn für die Ausbildung dann aber wieder vier Wochenenden am Stück draufgehen, dann leidet das andere Familienleben ganz sicher darunter. Auch das wöchentliche Übungsprogramm findet in den Abendstunden statt, damit möglichst viele Wehrleute daran teilnehmen können, erklärt Carsten Jöstingmeier, stellvertretender Wehrführer in Cappel.
Der nächtliche Einsatz ist aber noch eine ganz andere Belastung. Er kommt ohne Vorwarnung Vorwarnung. Nie zur passenden Zeit. Er bedeutet immer Stress. Ungewissheit ist sein Begleiter. Wenn der Piepser geht, läuft alles automatisiert ab. Rein in die Klamotten und mit dem nächsten Griff noch T-Shirt, Pulli und Hose zum Wechseln, dann rein ins Auto und auf schnellstem Wege zur Wache. Hier gibt es erste konkretere Infos, etwa das Ziel des Einsatzes und zu was alarmiert wurde – Verkehrsunfall, Zimmerbrand im Mehrfamilienhaus oder eine der vielen Brandmeldeanlagen, mit der Option auf einen Fehlalarm. Bis der nicht amtlich ist, läuft alles auf einen Lösch- und Rettungseinsatz hinaus. Der Trupp rüstet sich während der Fahrt schon auf, um vor Ort sofort einsatzbereit sein zu können. „Die Fahrt mit dem Martinshorn ist für jeden Feuerwehrmann eine Belastung, das ist keine Spaßveranstaltung“, räumt Jöstingmeier mit einem verbreiteten Vorurteil auf. Für den Fahrer ist es zusätzlicher Stress,denn er muss trotz des Signaltons damit rechnen, dass ihm jemand die Vorfahrt nimmt, etwa weil die Stereoanlage im Auto gerade richtig aufgedreht ist und das Martinshorn übertönt. Vor Ort übernimmt das Führungspersonal die Erkundung, bei einer unklaren Lage werden schon die Schläuche für ein mögliches Feuer in Bereitschaft gebracht.
An Schlaf nicht zu denken
Dann die Entwarnung – es war doch nur ein Fehlalarm. Elf Minuten nach dem Piepser. Fünf Stunden bis zum Wecker. Vielleicht bleiben davon noch vier Stunden für den Schlaf. Zunächst geht es ohne Blaulicht und Martinshorn zurück zur Wache. Die nächste halbe Stunde geht dafür drauf, die eingesetzten Fahrzeuge und das übrige Material wieder so herzurichten, wie es vorher war. Alles wird beispielsweise wieder aufgetankt.
Dann doch keine Entwarnung, Rauchentwicklung auf der Rückseite des Hauses, aber die Wohnungstüre bleibt trotz mehrfachem Klingeln geschlossen. Kopfkino: Alleinerziehende Mutter, drei Kinder, Schlaftabletten, Kohlenmonoxidvergiftung. Bitte nicht jemand, den ich kenne. „Inzwischen haben wir das Equipment, um die Türen möglichst schonend zu öffnen“, erklärt Wehrführer Cappeller – der Schaden, den die Feuerwehr unter Umständen anrichten muss, um Schlimmeres zu verhindern, soll so gering wie möglich bleiben. Also rein in die Wohnung, die schon ziemlich verraucht ist. Kaum Sicht. Atemschutzgeräteträger im Einsatz. Vortasten. Brandherd finden, Wohnung nach Personen absuchen. Küche. Herd. Vielleicht mal Nudeln in der Pfanne – dann kommt der Bewohner zurück, der sich verquatscht hatte. Glück im Unglück – niemand ist verletzt, die Küche ist hin, Sachschaden im fünfstelligen Bereich.
Nach 90 Minuten kann die Feuerwehr wieder abrücken, die Nacharbeiten auf der Wache dauern 60 Minuten. Die Kleidung wird gewechselt, nicht nur weil sie nach Rauch stinkt, sondern auch weil gefährliche Gase und Feuchtigkeit in der Kleidung stecken können. Die Einsatzkleidung kommt in die Reinigung. Danach bleiben noch einige Minuten, um in Ruhe über den Einsatz zu sprechen. Die psychische Belastung und der Bedarf darüber zu reden ist noch sehr viel größer, wenn Personen zu Schaden gekommen sind. An Schlaf ist dann mitunter gar nicht zu denken, auch wenn der Wecker erst in drei Stunden läutet. Die nächtliche Einsatzzeit können die Feuerwehrleute ansonsten an ihre Nachtruhe dranhängen und entsprechend später zur Arbeit kommen. Theoretisch, denn in der Praxis wird davon nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht. „In fünf Jahren habe ich erst dreimal die Freistellung in Anspruch genommen“, sagt Jan-Lennart Büttner. Im Normalfall fällt die Nachtruhe einfach kürzer aus – „wir müssen auch ausgeruht auf die Arbeit fahren können“, ergänzt Wehrführer Cappeller. Das sei auch im Interesse des Arbeitgebers, für die sein Stellvertreter noch ein Lob hinterherschickt: „Das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Einsätze ist vorhanden“.
Die Doppelbelastung ist auch für die Familien der Einsatzkräfte da: „Wenn beim Abendbrot der Melder losgeht, fällt die Gutenachtgeschichte für das Kind aus“, schildert der Wehrführer eine ganz alltägliche Situation.
Und an die Stelle der Gutenachtgeschichte treten Angst und Sorge um den verhinderten Vorleser. Und bei allem leisten André Cappeller, Carsten Jöstingmeier, Jan-Lennart Büttner und ihre Kameraden den Dienst gerne. Sie kümmern sich wie Büttner nebenbei auch noch um die Homepage der Wehr, helfen im Vorstand mit und übernehmen den Posten des Jugendfeuerwehrwarts, damit der Nachwuchs für die Wehr gesichert ist.
Quelle: Oberhessische Presse - Bericht & Foto von Frank Rademacher
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